Trauer am Arbeitsplatz

25. Mai 2025, Lesedauer: 7 Minuten

Trauer am Arbeitsplatz ist nach wie vor ein tabuisiertes und weit unterschätztes Thema, denn nicht alle Mitarbeitenden reden mit Kolleginnen und Kollegen über ihre private Situation. Oft bleibt Trauer unerkannt, obwohl ihre Auswirkungen die berufliche Leistungsfähigkeit stark eindämmen und die mentale Gesundheit auch langfristig beeinträchtigen können. Den Umgang mit Trauer näher zu beleuchten, hilft, um diese Emotion besser zu verstehen und im Akutfall sinnstiftend handeln zu können. Denn alle Beteiligten können einen wertvollen Beitrag dazu leisten, Trauer als Teil der Unternehmenskultur zu etablieren. Und so kann am Ende auch jeder im Bedarfsfall persönlich davon profitieren.

Trauer ist vielfältig und betrifft uns alle
Trauer nach Krisen und Verlusterfahrungen hat viele Gesichter und betrifft früher oder später uns alle. Sie kann durch Situationen entstehen wie die Trennung vom Lebenspartner, den Umzug in eine andere Stadt oder den Auszug der Kinder aus dem Elternhaus – je nachdem in welcher Lebensphase wir uns befinden. Auch die Diagnose einer chronischen oder lebensverkürzenden Erkrankung, die mit dem Verlust der Gesundheit und dem Abschied von der Vision für das eigene Leben einhergeht, kann Trauer und eine Sinnkrise auslösen. Und durch den Tod einer geliebten Person erleben wir einen tiefen Verlustschmerz, werden zugleich zur Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit gezwungen und häufig durch diesen Prozess vorübergehend aus der Bahn geworfen.

Trauer gehört zu Leben
Trauer ist keine Krankheit und auch kein Ausdruck von Schwäche, sondern eine ganz natürliche Reaktion auf einen schmerzhaften Verlust. Sie kann jedoch zu einem ernsthaften gesundheitlichen Problem werden und die Leistungsfähigkeit im Alltag von Beschäftigten so stark beeinflussen, dass sie zeitweise nur noch begrenzt arbeitsfähig sind. Und wer schon bald nach tief einschneidenden Lebensereignissen weiter funktioniert und den Verlust nicht betrauert, sondern diesen verdrängt oder ignoriert, wird früher oder später auf eine andere Art und Weise mit der Trauer konfrontiert. Denn ungelebte Trauer führt häufig zur langanhaltenden emotionalen Belastung und kann in körperlichen Symptomen, wie beispielsweise Rückenschmerzen oder Herzbeschwerden, einen Ausdruck finden.

Trauer ist höchst individuell
Jeder Mensch trauert anders, insbesondere im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild, den Verlauf und die Dauer. Hier spielen Geschlecht, Erziehung und der kulturelle Hintergrund eine wesentliche Rolle. Manche Menschen reden viel, andere wenig über ihre Gefühle und zeigen ihre Trauer kaum nach außen. Stattdessen begegnen sie dem Verlust mit Rückzug, stürzen sich in Arbeit, um dem Schmerz zunächst zu entkommen, reagieren aggressiv oder gereizt. Daher ist es wenig sinnvoll, direkte Rückschlüsse vom Verhalten auf die Innenwelt Betroffener zu ziehen. Auch die Bedürfnisse Trauernder können sich voneinander unterscheiden. So wünschen sich manche zunächst eine Auszeit von der Arbeit, um die Belastung zu bewältigen und sich in der neuen Realität zurechtzufinden, während andere wiederum die gewohnte Arbeitsroutine und das kollegiale Umfeld dringend brauchen, um sich zu stabilisieren.

Trauer ist auch ein Thema auf der Arbeit
Kaum jemand legt seine Trauer vor der Tür der Firma ab, um sie nach Feierabend wieder abzuholen. Trauer beschäftigt Betroffene auch bei der Arbeit. Manche sind müde durch Schlafstörungen und wirken erschöpft oder depressiv, schweifen gedanklich ab und können sich nicht erinnern oder konzentrieren. Andere brechen in Tränen aus oder stürzen sich bis weit nach Feierabend in Arbeit. Business „as usual“ ist in der akuten Trauerphase selten möglich. Gerade dann brauchen Arbeitnehmer einfühlsame und kompetente Führungskräfte, die wissen, was zu tun ist und nicht den Trauernden aus dem Weg gehen, weil sie sich davor fürchten, in guter Absicht das Falsche zu tun. Ein unterstützendes und verständnisvolles Umfeld, das authentische Anteilnahme zeigt, und in Kontakt mit dem Trauernden bleibt, wirkt sich positiv auf die gesamte Dynamik im Team aus. Ignorieren und Schweigen verschärft dagegen meist die Situation.

Was können Kollegen tun?

  • Wenn es zur Situation passt, ehrlich kondolieren oder Mitgefühl aussprechen.
  • Nach dem aktuellen Befinden fragen und, wenn man sich selbst dazu in der Lage sieht, ein Gesprächsangebot machen.
  • Zuhören und dem Trauernden im Gespräch Raum geben, die persönlichen Empfindungen zu teilen, gegebenenfalls Tränen aushalten.
  • Gezielt nach Unterstützung bei der Arbeit und im privaten Setting fragen.
  • Gemeinsame Aktivitäten anbieten und den Trauernden in Teamaktivitäten integrieren.

Was können Vorgesetzte tun?

  • Verständnis und Empathie zeigen, unsensible Floskeln möglichst vermeiden.
  • Nach Abstimmung mit dem Betroffenen die Situation im Team entsprechend kommunizieren.
  • Arbeitsbelastung und Arbeitszeiten an die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Trauernden anpassen, um Leistungsdruck rauszunehmen.
  • Wenn möglich und gewünscht Homeoffice anbieten.
  • Bei Projekten, die besonders verantwortungsvoll sind oder heikle Entscheidungen erfordern, eventuell Unterstützung durch eine Kollegin oder einen Kollegen anbieten.
  • Vorsicht mit gefährlichen Geräten oder Maschinen. Hier droht Verletzungsgefahr wegen Unaufmerksamkeit.
  • Vorübergehend aus dem Bewertungssystem rausnehmen, entspannt die Situation.
  • Im regelmäßigen Austausch bleiben und ein „offenes Ohr“ signalisieren.
  • Auf interne oder externe Hilfsangebote hinweisen, falls solche vorhanden und bekannt sind. Beides wäre natürlich wünschenswert und gehört zu einem guten „Trauer am Arbeitsplatz – Leitfaden“.

Besondere Herausforderung: Tod im Team
Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Teams verstirbt, ganz gleich wo und auf welche Weise, ist die Betroffenheit unter den Kolleginnen und Kollegen besonders groß, denn der Schock sitz tief. Es gibt Gesprächs- und Handlungsbedarf. Aber was genau ist zu tun und wie lässt sich die Situation in den Griff kriegen? Oft ist es sinnvoll, externen Sachverstand durch eine psychosoziale (Trauer-)Beratung ins Boot zu holen. Denn Führungskräfte können nicht alles leisten. Meist leiden sie selbst unter dieser Situation, spüren den Druck, der auf ihnen lastet, und wissen dennoch nicht, souverän damit umzugehen. Da ist es natürlich im Vorfeld sinnvoll, sich in einem Workshop mit einem solchen „Worst-Case-Szenario“ zu beschäftigen. Gerne unterstütze ich Sie dabei!

Welcher Nutzen entsteht für das Unternehmen
Trauer im Unternehmen ist mehr als das Aufstellen einer Kerze, wenn sich ein Mitarbeitender suizidiert oder das Anreichen der Taschentücher, wenn die Kollegin eine Krebsdiagnose erhalten hat. Natürlich müssen die betrieblichen Belange stets im Blick bleiben, denn jede Firma ist ein wirtschaftliches Unternehmen. Dennoch lohnt es sich für alle Beteiligten, insbesondere im Hinblick auf die mentale Gesundheit, dem Thema Trauer einen festen Platz einzuräumen. Eine gute Trauerbegleitung als Teil der Unternehmenskultur wirkt sich positiv auf den Zusammenhalt der Belegschaft aus und fördert bei den Betroffenen die Loyalität zum Arbeitgeber.

Fazit
Durch Trauer wird Alltägliches plötzlich zur Herausforderung. Neben der emotionalen Betroffenheit und der neuen Realität nach einer Verlusterfahrung, gibt es für Trauernde diverse Belastungen, die bewältigt werden müssen. Darunter kann die Arbeitsleistung deutlich leiden oder auch vorübergehend stark einbrechen. Wichtig ist, dass sich der Betroffene in seinem Erleben verstanden und nicht alleingelassen fühlt. Dazu können Vorgesetzte und Kollegen einen großen Beitrag leisten. Letztendlich profitiert das gesamte Unternehmen, sowohl nach innen, als auch in der Außenwirkung, wenn ein gesunder und wertschätzender Umgang mit der Trauer nach Krisen und Verlusterfahrungen in die Werte und Normen der Firma integriert wird.