Stimmungs-Tracking-Apps: Glücksstifter oder Selbstoptimierungsfalle?

12. Juli 2021, Lesedauer: 3 Minuten

Apps haben Hochkonjunktur! Es gibt sie inzwischen für alles, was das Herz begehrt – beispielsweise zum Onlinedating gegen die Einsamkeit, für das Trading an der Börse und um die eigenen Gesundheitsparameter zu tracken, Schritte zu zählen und den Schlaf lückenlos zu überwachen. Grundsätzlich sind das alles wertvolle Hilfsmittel, die uns den Alltag erleichtern können, sofern sie nutzerfreulich sind und sinnvoll eingesetzt werden. Wie vor jedem Investment sollten Sie sich dennoch fragen, welchen Mehrwert Sie von einer App erwarten und wird dieser tatsächlich auch geboten. Was sind die Fallen, in die Sie tappen können, und macht die Nutzung der App Ihr Leben tatsächlich auch einfacher?

Nutzen der App gegen den Zeitaufwand abwägen
Apps, die Abläufe vereinfachen oder bei der Verwaltung gewisser Prozesse helfen, haben sicherlich ihre Berechtigung. Aber wie sinnvoll sind Apps, die das eigene Befinden beobachten und steuern – sogenannte Stimmungs-Tracking-Apps? Psychische Gesundheit ist zweifelsohne ein enorm wichtiges Thema, das in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Kein Wunder also, dass es inzwischen auch dazu digitale Lösungen gibt, die den psychischen und emotionalen Zustand des Nutzers abfragen und begutachten, um diesen im nächsten Schritt in Diagrammen darstellen und in Statistiken festzuhalten. Aber manche bieten noch mehr: bei Stress und Überforderung kann der Nutzer auf Informationen zu diesen Themen zugreifen und bekommt Übungsvorschläge angeboten. Manche entwerfen sogar auf der Grundlage einer längeren Screening-Periode einen Arztbrief, den Sie direkt Ihrem Therapeuten übermitteln können. Die Frage ist nur, wie viel Zeit bleibt dem Nutzer der App noch, um intensiv in sich hinein zu spüren, wenn sie oder er (mehrmals) täglich den Stimmungs-Status aktualisieren muss? Ist es nicht sinnvoller, kurz inne zu halten und die eigene Befindlichkeit, die eigenen Gedanken und Emotionen für einen Moment bewusst wahrzunehmen und zwar mit allen ihren Nuancen, statt zu versuchen, sie in ein Schema einzuordnen, damit eine digitale Auswertung erst möglich ist? Und machen uns Apps, die unsere Laune qualifizieren langfristig auch glücklicher oder eher abhängiger?

Was dem einen hilft, verunsichert den anderen
Die Antworten auf diese Fragen muss jeder für sich selbst ausloten. Es gibt sicherlich Menschen, denen eine solche App helfen kann, weil sie sonst gar nicht auf die Idee kämen, ins Spüren zu kommen und das eigene Wohlbefinden zu „überprüfen“. Dies kann jedoch nur der Anfang einer (langen) Reise zu sich selbst sein. Für andere sind solche Tracker eher Stolpersteine, die von der Innenwahrnehmung ablenken und im schlimmsten Fall zum dringenden Wunsch nach Selbstoptimierung führen können – was den negativen Effekt fördern würde. Denn wenn ich mir tagelang vor Augen führe, dass es nicht gut um meine Laune steht, kann das durchaus zu depressiver Stimmung führen, satt mir zu helfen, aus dem Tief wieder herauszukommen. Daher sollten wir verantwortungsvoll und vor allem selbstbestimmt mit dem sogenannten „mood-monitoring“ (Stimmungsüberwachung) umgehen, statt sie als ultimative Lösung unserer Probleme zu betrachten und sie bedenkenlos zu konsumieren.

Analoge Lösungen bleiben sinnvoll
Zwei ganzheitliche Tipps, um sich der eigenen Stimmung bewusst zu werden und bei Bedarf ins Tun zu kommen:

1. Mindful Hands [Zeitdauer mindestens drei Minuten]: Halten Sie am Tag (bestenfalls mehrmals) kurz inne und lenken Sie Ihren Fokus gezielt auf Ihren Körper. Legen Sie Ihre Hand oder Hände auf die Körperstelle, die Ihr momentanes Befinden am besten widerspiegelt oder Ihre Aufmerksamkeit am meisten einfordert und verweilen Sie hier einen Augenblick in der Vorstellung, dass Ihre Hände in der Lage sind, Ihr Wohlbefinden (eine verspannte Schulter, ein „schweres“ Herz oder das freudige Kribbeln im Bauch) genau an dieser Stelle zu fördern (Verspannung auflösen, mehr Leichtigkeit im Herzen generieren, das Kribbeln in Vorfreude umwandeln). Diese kurze Übung stärkt die Körper-Geist-Verbindung. Auch sie alleine löst kaum ein Problem, bringt Sie aber der Lösung auf die Spur und vor allem auf eine simple Art und Weise in Kontakt mit den eigenen Empfindungen.

2. Selbst-CoachingWalk [Zeitdauer mindestens zehn Minuten]: Nutzen Sie eine Pause oder Ihren Feierabend für einen (kurzen) Spaziergang, auf dem Sie in Dialog mit sich selbst kommen. Nehmen Sie diese drei Fragen ganz unverbindlich mit auf Ihren Walk, ohne sich unter Druck zu setzen, und beobachten achtsam, welche Antworten sich ergeben, wenn Sie sich bewusst mit ihnen auseinandersetzen:

  • Wie ist Ihr Tag bis zu diesem Zeitpunkt verlaufen?
  • Welche Emotionen sind präsent?
  • Was können Sie tun, um für den Rest des Tages gut für sich selbst zu sorgen?

Digitale Lösungen sind wertvoll, aber nicht immer und nicht überall. Was wir in Zukunft viel mehr brauchen werden, ist eine gesunde Analog-Digital-Balance!

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in meinem nächsten Impuls-Nugget …